Keine Frage: Idioten, die Waffen haben, sind gefährlich. Auch alte Idioten. Polizeieinsatz, Untersuchungshaft, Anklage, Prozess – die normale und durchaus richtige Folge. Aber 3000 Polizisten gegen 25 Hanseln, großteils im Rentenalter, die mit mehr als untauglichen Mitteln planen oder, na ja, davon schwadronieren, den deutschen Bundestag zu stürmen? Der 71-jährige Prinz einer längst bedeutungslosen Adelsfamilie, der gern König von Deutschland wäre? Ex-Soldaten in der Altersklasse von Sylvester Stallones „Expandables“ als „militärischer Arm“? Eine abgewählte AfD-Abgeordnete, deren Arbeitsplatz als Richterin auf der Kippe stand, als Justiz- und als Gesundheitsministerin eine esoterische Ärztin mit zwei Hellsehern als Beratern, die gleich mit verhaftet wurden?
Die Krönung kommt freilich aus Österreich. Hier berichtet das Online-Qualitätsmedium „exxpress“ – Untertitel „für Selberdenker“ – selberverständlich darüber, dass im Familienschloss des Putsch-Prinzen im niederösterreichischen Ernstbrunn „eine Welt zusammen brach“, und in Kitzbühel schnappten die Fahnder einen Koch, der nach erfolgreichem Putsch die Reichskantine übernehmen würde. Dazu fällt „Seemannsgarn“, ehrlich gesagt, nichts ein. Das IST „Seemannsgarn“.
Die Hintergründe sind es natürlich nicht: „Reichsbürger“, noch dazu, wenn sie tatsächlich auch Verbindung zu „QAnon“-Anhängern haben, die so ziemlich das Ungustiöseste in der Verschwörungstheorien-Szene sind, gewisse und gewiss nicht kleine Kreise in der AfD oder die schon länger bekannte rechtsextreme Unterwanderung der deutschen Bundeswehr muss man ernst nehmen. Sie sind Feinde von Demokratie und Rechtsstaat, feindselig gegen Menschen, die ihnen nicht passen, und durchaus in der Lage, Menschen zu töten und gewalttätige Krawalle anzuzetteln. Sie taten das auch bereits. Und die „Staatsverweigerer“ in Österreich, ähnliche Fälle im hiesigen Bundesheer, gewisse Präsidentschaftskandidaten und von nicht wenigen Leuten gewählte Politiker stehen ihnen zumindest verbal nicht nach.
Also nichts dagegen, dass die 25 Hanseln in Deutschland als dem Verkehr gezogen wurden, viel Erfolg, wenn es mit dem härteren Vorgehen gegen diese Szene nicht bei Ankündigungen bleibt (solange der rechtsstaatliche Rahmen nicht überschritten wird, ich denke da an Berufsverbote und ähnliches, was es in Deutschland ja auch schon mal gab), und eine vage Hoffnung, dass der eine oder andere Schritt auch in Österreich getan wird, vielleicht nach den nächsten Wahlen.
Es stimmt aber auch, wenn sich das internationale Magazin „Politico“ mit Hauptsitz in den USA, wo 2021 unter maßgeblicher Beteiligung ähnlicher Kreise, nicht zuletzt „QAnon“, tatsächlich versucht wurde, das Kapitol zu stürmen, von den Vorgängen in Deutschland eher an eine „Monty Python“-Folge erinnert sieht, eine echte Gefährdung des Staates für „absurd“ hält und die Aufregung darüber auf die „momentan angespannte Gemütslage“ der Deutschen zurückführt, die sich derzeit „am Rande des Nervenzusammenbruchs“ befänden.
Ein echt fetter Einsatz gegen Staatsfeinde kann da schon die Stimmung heben und die PR-Mühlen von Innenministerin Nancy Faeser kräftig anwerfen. Publikumswirksam blickt sie in einen „Abgrund terroristischer Bedrohung“, gegen den – das muss man nicht dazusagen, die meisten haben es eh noch nicht erlebt – Olympia München 1972 und die RAF anscheinend ein Pappenstiel waren. Dazu fällt „Seemannsgarn“ auch nichts ein.